Hier zeige ich dir an meiner eigenen Geschichte, wie es mir gelang, mich wie eine Zwiebel zu schälen und an meiner Selbstführung zu arbeiten. ich möchte dich inspirieren, denn in diesem Beitrag geht es um nichts Geringeres als dein wahres Selbst zu erkennen.
Dir Fragen zu stellen, die dein selbst-gemachtes Selbstbild durchleuchten. Deine Glaubenssätze auf den Prüfstand stellen.
Wenn du gut in Selbstführung werden möchtest, ist diese Beschäftigung mit dir, deiner Lebensgeschichte, deinen Glaubenssätzen, deinem Ego und deinen (hausgemachten) Schutzschildern unerlässlich. Wir suchen viel zu oft im Außen nach Antworten – dabei warten diese bereits in dir auf Entdeckung.
Du kannst es dir wie das Schälen einer Zwiebel vorstellen. Schale für Schale kommst du dem Kern näher. Und ja, das kann auch zu Tränen führen. Zuckerschlecken sieht anders aus. Und nichtsdestotrotz ist dieser Prozess unabdingbar auf deinem Weg zur authentischen Selbstführung.
Bist du bereit? Perfekt. Fasten your seat-belt. We are ready for take-off.
Kennst du dich selbst?
Meine Geschichte begann in Kanada. Meine Eltern waren beide “Flüchtlinge”. Mein Vater war 1960 aus dem kommunistischen Ungarn geflohen und seinem Großvater nach Kanada gefolgt. Auf Grund seiner erfolgreichen “Ausreise” aus Ungarn begann er als Fluchthelfer anderen Menschen den eisernen Vorhang zu überwinden. Er geleitete sie auf ihrem Weg in die Freiheit. Sein größter Coup gelang ihm 1977. Mit einem VW Käfer schmuggelte er eine Frau aus der damaligen DDR in die Freiheit. Beinahe wäre die Nummer aufgeflogen. Und ich nicht auf der Welt. Die Frau, die zwischen Rückbank und Motor versteckt war, sollte 3 Jahre später meine Mutter werden. Nach der erfolgreichen Flucht in die Freiheit folgte sie meinem Vater nach Kanada. Dort angekommen, blieb beiden jedoch nicht die nötige Zeit für das “drum prüfe sich, wer sich ewig bindet”.
Beide hatten ihr Leben für die Freiheit riskiert und mussten später feststellen, dass sie alles andere als zusammenpassten. Als ich auf die Welt kam, hing der Haussegen bereits gewaltig schief. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass ich in ein emotionales Schlachtfeld hineingeboren wurde. Die naive, unbewusste Annahme, “vielleicht wird ein Kind unsere Beziehung heilen”, sollte sich als Trugschluss herausstellen.
Wir waren alle einmal Kinder.
Was hast du überlebt, überstanden? Wie hat dich das geprägt?
Und so nahmen die Ereignisse ihren Lauf. Als ich zwei Jahre alt war, verließ meine Mutter meinen Vater und Kanada und ist mit mir zurück nach Deutschland gezogen. Diese frühkindlichen Erfahrungen haben mich geprägt. Als Kinder formen wir unser Bild von der Liebe u.a. durch die Beobachtung der Beziehung unserer Eltern. Wie sie als Mann und Frau diese Liebe leben und zum Ausdruck bringen. Diese Erfahrung sollte mir vorenthalten bleiben. Stattdessen habe ich die Beziehung zwischen meinen Eltern nur als Konflikt wahrgenommen.
Gleichzeitig musste ich mich dabei selbst schützen, um emotional nicht “unter die Räder” zu kommen. Diese Schutzmaske habe ich während meiner Schulzeit weiter verstärkt, um mich vom Mobbing meiner Mitschüler abzugrenzen.
Welche Masken (deiner Kindheit) trägst du heute noch?
Sehr früh auf meinem Weg zimmerte ich mir somit ein maßgeschneidertes Schutzschild zurecht. Dieser “emotionale Panzer” zeigte sich später u.a. durch Sarkasmus, einen unbändigen Leistungsdrang (“Wenn ich leiste, bin ich ‘gut genug’, werde ich geliebt!”), äußere Härte bzw. Autorität (z.B. als Verhandlungsführer des Betriebsrates, des respektierten Piloten oder des ausdauernden Ultra Läufers). Mein Coach sagt zu mir “Martin, trotz all deiner äußeren Härte hast du ein sanftes Wesen. Heute weiß ich, dass ich meine Maske geschmiedet habe, um diesen sanften Kern meines eigenen Seins zu schützen. Und du? Kennst du deine Maske(n)?
Hast du Glaubenssätze angenommen, die nicht deine sind?
Wer von euch kennt den Wenn-dann- oder Liebe-gegen-Leistung-Glaubenssatz?
Zum Beispiel, “WENN ich gute Noten in der Schule habe, wenn ich in Harvard oder St. Gallen den Uni-Abschluss mache, wenn ich erstmal Vorstandsvorsitzender bin, wenn ich ein großes Haus, ein tolles Auto, eine super Partnerschaft habe, DANN…bin ich gut genug, habe ich es verdient, geliebt zu werden.” Im Volksmund auch bekannt unter “Lerne, liebe, leiste was! So haste, kannste, biste was.”
“Liebe gegen Leistung” ist jedoch keine nur von Männern gepachtete Domäne. In meiner Tätigkeit als Coach für Piloten wurde ich Zeuge eines beeindruckenden Kenshō-Momentes ((japanisch 見性; Erschauen des eigenen Wesens, die wahre Natur des eigenen Seins erkennend) bei einer weiblichen Kollegin aus dem Cockpit. Sie flog seit über 20 Jahren für die Staatsairline ihres Landes. In dem Moment, in dem sie realisierte, dass sie nur Pilotin geworden war, um den Respekt und die Liebe ihres Vaters für sich zu gewinnen, beendete sie ihre Cockpitkarriere. Sie kündigte fristlos. Ohne doppelten Boden. Um sich Zeit zu nehmen. Für sich und ihre authentische, berufliche Neuorientierung.
Kennst du deine inneren Autopiloten?
Heute, mit über 40, glaube ich es kapiert zu haben. An manchen Tagen mehr, an anderen weniger: Ich bin, so wie ich bin, gut genug. Meine Maske darf in den Ruhestand gehen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Dadurch, dass ich diesen “Autopiloten” so lange in Betrieb hatte, hatte ich gleichzeitig vergessen, wo sich der “Disengage Button”, der Ausschalter befindet. Um ihn wieder zu entdecken, bedurfte es mehrerer Jahre Coaching und Persönlichkeitsentwicklung. Lange Zeit hatte ich geglaubt, ich würde meine Coaching-Ausbildung für Organisationsentwicklung machen. Pustekuchen. In Wahrheit haben mir meine Coachingausbildungen den Weg zurück zu mir selbst und vor allem zu meinem Vater aufgezeigt. Als ich diese Stimme am anderen Ende der Leitung sagen hörte “You are calling me, you better tell me who you are!” und ich mir – die Hosen voll vor Aufregung – abstotterte “Maybe it’s your son”, trat ich nach 36 Jahren emotionaler Trennung von meinem Vater durch diese imaginäre Tür in eine neue, unbekannte Welt. In eine Welt, in der ich lernen würde, was es bedeutet, wieder einen Vater zu haben. Um anderen Männern Mut zu machen, habe ich diese Geschichte bereits auf Englisch in einem Buch veröffentlicht. Der Weg zurück zu meinem Vater war meine Feuerprobe. Durch die Angst hindurch zu gehen. Und bei mir selbst anzukommen.
Kennst du deinen Arschengel?
Ich bekam nicht nur meinen Vater zurück. Im Paket war ebenfalls mein persönlicher Arschengel inbegriffen. Mein Vater ist mein Spiegel. Und ich seiner. Wir sind uns sowas von ähnlich und wir durften lernen, dass wir uns dadurch gegenseitig auf die Palme bringen können. Wir erlebten gelebte Physik: Gleiche magnetische Pole stoßen sich ab!
You spot it, you got it!
Ja, das ist eine weitere, bittere Pille auf dem Weg zur Selbsterkenntnis. Alles was mich an meinem Vater aufregt, ist ein Teil in mir, den ich noch nicht integriert habe. Der mir alles andere als gefällt und den ich als solchen noch nicht akzeptiert bzw. angenommen habe.
Schon mal erlebt? Ich bin mir sicher, dein/e Partner/in oder deine Kinder standen dir für diese Erkenntnis bereits mehr als einmal zur Verfügung. Was bringt dich auf die Palme? Und wie kannst du daran wachsen?
Suchst du noch im Außen oder entdeckst du bereits im Innen?
Es ist schon komisch. Wir suchen auf der ganzen Welt (im Außen) nach Antworten. Und wir wundern uns, warum es so schwer ist, Antworten zu finden. Kleiner Tipp: Die Antworten auf deine Fragen sind bereits in dir! Wie der Goldfisch im Aquarium ist es jedoch schwer, unser eigenes Wasser zu sehen! Deswegen ist es umso wichtiger, jemanden zu haben, der uns auf diesem Weg begleitet. Für diesen außenstehenden “Goldfischbetrachter” ist es deutlich leichter, die Farbe unseres Wassers zu sehen.
Vor allem wir Männer tun uns so schwer damit, um Unterstützung zu bitten. Vor allem bei so sensiblen Themen, die uns schwach aussehen lassen könnten. Was für ein Bullsh*t. Jeder Spitzensportler hat einen Coach. Also scheu’ dich nicht, Mann! Hol’ dir Unterstützung auf deinem Weg. Der Mann von morgen ist stark und weich. Weich, weil emotional intelligent und kompetent. Stark und hart war gestern. Die harten Masken beschränken. Beschneiden uns. Reduzieren unsere Möglichkeiten, auf Herausforderungen im Leben zu antworten. Wenn du nur einen Hammer hast, kommt jedes Problem als Nagel daher.
Du siehst: Der Weg zur Selbsterkenntnis, hin zur authentischen Selbstführung, ist kein Spaziergang. Um andere führen zu können, darfst du zuerst lernen, dich selbst zu führen. Und dafür ist Selbsterkenntnis unverzichtbar. Und wie so oft im Leben sind es gerade die steinigen Wege, die uns zu den schönsten Orten führen.
Stark und weich – Geht das?
Ja, auch ich habe die Zwiebel der Selbsterkenntnis schälen dürfen. Würde ich es wieder tun? Auf jeden Fall. Nur wenn ich mich selbst kenne, meine Autopiloten unter Kontrolle habe (und nicht umgekehrt), kann ich souverän und authentisch Handeln, anstatt mich hinter meinen Masken oder meiner Rüstung zu verstecken. Dazu gehört auch offen darüber zu sprechen, wie ich mich fühle. Dein Gegenüber kann deine Gefühle auch nicht anzweifeln, weil es deine sind und keine akademisch belegbaren Fakten. In Tarifverhandlungen habe ich davon sehr oft Gebrauch gemacht: “Ihr letztes Angebot macht mich traurig. Für mich steht es stellvertretend für die mangelnde Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern.” Stark und weich ist kraftvoll.
Männer, öffnet euch gegenüber eurer Geschichte. Euren Emotionen. Und lernt Euch dadurch selbst besser kennen. Das Beste daran ist, dass ihr euch nicht mehr verstellen müsst, um weiterzukommen. Die für euch nicht authentischen Wege werden verschwinden. Ja, vielleicht werdet ihr gekündigt oder kündigt selbst! Gleichzeitig werden sich neue Türen öffnen, neue berufliche Horizonte sich zeigen.
„Integrität bedeutet, Mut über Bequemlichkeit zu stellen. Man wählt das Richtige, anstatt das, was Spaß macht, schnell oder einfach ist. Und Sie entscheiden sich dafür, Ihre Werte zu praktizieren, anstatt sie nur zu bekennen.” – Brene Brown
Um meine Werte zu praktizieren, muss ich diese erstmal erkennen. Selbsterkenntnis kommt somit vor Selbstführung.
Jetzt bist du dran!
Erfahre Selbsterkenntnis über deine Lebenslinie
– Welche Höhen hast du in deinem Leben erlebt?
– Welche Tiefen?
– Wie haben dich die jeweiligen Ereignisse geprägt?
– Welche Stärken haben dir an den Tiefpunkten geholfen, wieder in den Steigflug über zu gehen?