Mal ein alltägliches Beispiel dazu. Sagen wir ein Mann hatte einen schlechten Tag bei der Arbeit, nur Probleme mit dem Chef und den Kunden. Er kommt heim und riecht schon förmlich die dicke Luft. Er hat vergessen auf dem Heimweg diese eine Zutat für das Abendessen zu besorgen, zudem ist er zu spät. Es folgt ein Streit mit seiner Frau, der Abend ist gelaufen. Um auf andere Gedanken zu kommen, geht er nebenan in die Bar und genehmigt sich einige Longdrinks. Siehe da, es geht ihm schon besser. Eine schnelle und erstmal effiziente Lösung ist gefunden.
Was passiert dabei im Gehirn?
Einfach gesagt: Unser Gehirn speichert die Longdrinks als erfolgreiche Lösung ab (sie bringen das Gehirn wieder zur Ruhe und das mag es, denn es will Energie sparen). Diese Lösung wird zu gegebener Zeit wieder abgerufen. Dabei ist es dem Gehirn völlig egal, was die Ursache für das Problem war. Es merkt sich: Wenn ich in Stress gerate, ist Alkohol eine gute Lösung.
Aus wissenschaftlicher Sicht passiert folgendes: Immer dann wenn wir eine vermeintliche Lösung für ein Problem gefunden haben, bei unserem Mann aus dem Beispiel die Bar nebenan, wird der Energieverbrauch gesenkt. Es kehrt Ruhe ein. Die neuroplastischen Botenstoffe, die freigesetzt werden, wirken im Gehirn wie Dünger und kurbeln das Belohnungszentrum an. Die Lösung wird somit als gut und effizient abgespeichert und für die Zukunft immer abrufbereit im Gehirn verankert.
Oftmals sind das auch Lösungen, die bereits in jungen Jahren in unserem Gehirn verankert wurden. Wir bekommen also keine Verhaltensmuster vererbt.
Die einmal aufgrund von Erfahrungen als Lösung gut befundenen Mechanismen, mit denen du dein Leben bewältigst, verdichten sich im Gehirn. Daraus entsteht eine innere Überzeugung, eine feste Vorstellung, also eine innere Haltung. Und diese Haltung bestimmt dann, wie du dich verhältst und die Welt interpretierst.
Innere Bilder „austauschen“
Wahrscheinlich hast du ein Verhaltensmuster auf das du nicht stolz bist. Sei es privat, beruflich oder auf beides anwendbar. Genauso siehst du Verhaltensmuster, die dir bei bei Mitarbeitenden nicht gefallen. Was tun? Die Konfrontation suchen und dem anderen klipp und klar seine vermeintlichen Fehler aufzeigen? Nein. Du kannst zwar einen anderen in seinen entstandenen Überzeugungen, Vorstellungen und Meinungen mit der sogenannten Wahrheit konfrontieren. Das Gegenüber wird sich aber sehr wahrscheinlich zurückziehen und sich an seinen Überzeugungen festklammern. Vielmehr wirst du Erfolge erzielen, wenn du dem Mitarbeitenden dabei hilfst eine neue und andere Erfahrung bei seiner Lösungsfindung zu machen. Und ihn somit dazu inspirierst und ermutigst, seine inneren Bilder zu überschreiben. Als Führungskraft hast du diesen Erfahrungsraum zu öffnen. Anschließend kannst du dies verstärken, indem du mit deinem Mitarbeitenden ins Gespräch gehst und den Raum noch weiter aufmachst.
Dies lässt sich ebenso gut auf dich selbst übertragen. Wenn wir nochmal das Beispiel vom Anfang aufgreifen. Dem Mann, der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, seinen Frust runterzuspülen, wird schnell bewusst, dass das eigentlich keine gute Lösung für seine Probleme ist. Doch es ist schon passiert: Das Verhaltensmuster hat sich bereits eingebrannt, der Energiesparmodus ist an. Nun gilt es für ihn seinen eigenen Schweinehund zu überwinden und beim nächsten Mal nicht den einfachen Weg in die Bar nebenan zu gehen, sondern nach einer anderen, besseren Lösung zu suchen, die ebenso funktioniert und langfristig effektiver ist.
Überlege dir mal, welche Verhaltensmuster du bei dir ablegen möchtest und versuche dir Raum zu schaffen für neue Erfahrungen. Das ist leichter gesagt als getan, doch sobald du den ersten Schritt gegangen bist, hast du die Möglichkeit deine inneren Bilder zu überdenken. Dadurch kann ein großer Wandel bei dir selbst sowie bei der Führung deiner Mitarbeitenden entstehen.
Vielen Dank an Prof. Dr. Gerald Hüther für dieses spannende Gespräch!