Gerade jetzt in der Zeit des Wandels durch Corona und des sicht- und fühlbaren Umbruchs in der Unternehmensführung, Mitarbeiterführung und vor allem Selbstführung, geht es darum neue Führungsqualitäten einzubinden, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.
Neue Situationen zwingen Unternehmen derzeit weltweit, sich mit Homeoffice, Verlust der Beziehung zu den Mitarbeitern, Motivation, Generationenkonflikte und neue Erwartungen seitens der Mitarbeiter auseinander zu setzen.
Dr. Oliver Haas, Pionier und Vordenker ist Initiator von Das Neue Führen. In diesem Interview geht es darum, wie das arbeiten der Zukunft mit neuen Führungsideen lebbar wird. Hier finden Sie seine neuen Impulse und Einblicke in eine Vision des Miteinanders der neuen Arbeitswelt.
Lieber Herr Haas, überall hören wir von agiles Leadership, digital Leadership uvm. Was ist das Neue Führen eigentlich konkret und worin unterscheidet es sich von den bekannten Leadership Ideen wie z.B. agilem Führen?
Dr. Oliver Haas: Das Neue Führen ist keine Methode, sondern es will Ihnen eine neue Haltung bieten. Mit Das Neue Führen gelangen Sie als wichtigstes Mittel zu einer neuen Einstellung, die die Grundlage für ein zukunftsgerichtetes, erfolgreiches miteinander arbeiten ist.
Und das hat ja übrigens auch der New Work Begründer Fridjof Bergmann so gemeint. Leider ist daraus ein Wildwuchs entstanden, denn konkret bedeutet es in erster Linie erstmal, dass jeder, der mit Führung zu tun hat, an sich selber arbeitet.
Was bedeutet das für Führungskräfte, Mitarbeiter, Unternehmen?
Dr. Oliver Haas: Wenn man es ernst nimmt, an der eigenen Haltung zu arbeiten, dann bedeutet das für Führungskräfte und MitarbeiterInnen in einem Unternehmen, man dürfte nicht mehr von der Haltung getrieben sein, dass es ein Organigramm gibt, in dem es „oben besser ist, als unten“ In der Industriegesellschaft hieß das ja bislang, „oben“ werden die Ideen geboren und „unten“ wird abgearbeitet. Wir sind auf dem Weg weg von der Industriegesellschaft, hin zur Wissensgesellschaft und da läuft es eben anders.
Der Mitarbeitende in dieser neuen Wissensgesellschaft muss sehr selbstsständig arbeiten können. Und das mit Lust und Freude. Die Anforderungen an ihn sind heutzutage Empathie und die Fähigkeit, komplexe Vorgänge selbstständig lösen zu können. Da das mit Geld nicht zu bezahlen ist, erfüllt der Mitarbeiter das nur, wenn es ihm/ihr gut im Unternehmen geht. Heute geht es nicht mehr um Effizienz, sondern um Effektivität. Und hier kommt plötzlich der Sinn ins Spiel. Und Sinn kann nur entstehen, wenn jeder, der in einem Unternehmen mitarbeitet, sich einmal ganz persönlich fragt: Was ist denn eigentlich meine Vision? Wozu möchte ich eigentlich beitragen? Und das gilt auch für Führungskräfte.
Und wenn man sich dann diese Fragen auch in der Gruppe stellt, dann entsteht eine neue Kraft. Das ist dann wie ein innerer Motor.
Das bedeutet, eine moderne Führungskraft ist dann nicht mehr Befehlsgeber, sondern vielmehr Coach. Und MitarbeiterInnen sind dann nicht welche, die einfach nur abarbeiten, sondern die mitarbeiten. Dadurch entsteht eine Qualität, in der menschliche Bedürfnisse im Vordergrund stehen und das wiederum erzeugt eine kraftvolle Aufbruchsstimmung, die zu Erfüllung und Erfolg beiträgt.
Für welche Branchen/Unternehmen ist Das Neue Führen geeignet? Kann jedes Unternehmen, das bislang mit starrer Führungskultur unterwegs war, den Sprung zum Neuen Führen schaffen?
Dr. Oliver Haas: Kurz gesagt: Da es eher eine Haltung, denn ein Konzept ist, ist Das Neue Führen für alle Branchen und Unternehmen eine optimale Lösung für die Zukunft.
Ich habe das selbst oft in meiner langjährigen Arbeit gesehen, dass die Branche und Unternehmensgröße nicht relevant ist. Es ist vielmehr die Sache, wie Menschen zusammen arbeiten. In jedem Unternehmen gibt es nämlich auch einen Spirit und wenn man sich um diesen nicht kümmert, dann treten die gerade genannten Effekte nicht auf.
Was sind die ersten Schritte, um das hinzukriegen?
Dr. Oliver Haas: Die ersten Schritte sind auf jeden Fall, zunächst in die Stille zu gehen und sich fragen: Wofür setze ich mich ein, was ist eigentlich mein Sinn für das Unternehmen und besonders für mich? Das ist der größte Schlüssel. Wenn man weiß, was man selber will, reduziert das in erster Linie den Stress am Arbeitsplatz und das auch im Umgang mit anderen.
Wie wirkt sich das auf die Zukunft aus?
Dr. Oliver Haas: Wenn jeder seinen Sinn und sein Warum kennt, dann kann Erfüllung und Erfolg manifestiert werden, weil es deutlich zu mehr Performance führt. Auch wird eine Firma, die einen guten Spirit, Teamgeist und Sinn hat, sehr viel attraktiver für Arbeitssuchende. Das ist nur eines von vielen Vorteilen, denn der Fachkräftemangel und gute Arbeitskräfte, die motiviert sind, sind leider derzeit eher rar.
Wir haben festgestellt: Arbeitssuchende sind eher bereit, auf eine tolle Marke zu verzichten oder sogar ein hohes Gehalt, ja sie nehmen sogar einen längeren Fahrtweg auf sich, wenn sie wissen, dass es ihnen in diesem Unternehmen gut geht. Also sind die Auswirkungen von Das Neue Führen nicht nur nach innen gerichtet, sondern auch nach außen.
Was bleibt, was geht wieder weg, wenn man all das anwendet?
Dr. Oliver Haas: Zum Beispiel ist es die Nachhaltigkeit um die es ja in vielen Dingen geht. Aber auch das ist eine Frage der Haltung. Wenn ich eine neue Brille aufziehe, also neue Werte und neue Sinnhaftigkeit erschaffe, dauert es vielleicht ein bisschen, bis es sich etabliert hat, aber dann ist es dauerhaft nachhaltig. Wenn ich kein Ressourcenausnutzer mehr bin, der Menschen unter Nützlichkeits-Gesichtpunkten betrachtet, sondern ich mich als Potentialentfalter sehe, dann stelle ich mich anderen Fragen, nämlich: Was kann ich tun, damit der andere wächst?
Wenn man so einen Bewusstseinswandel durchgemacht hat, dann kann man nicht mehr in seine alten Verhaltensweisen zurück. Und das nicht, weil man sie sich verkneift, sondern da hat man gar keine Lust mehr drauf. Probieren Sie einmal selbst aus.
Gibt es neue Konzepte?
Dr. Oliver Haas: Ich bin ja kein Freund von Konzepten, aber natürlich braucht man eine Idee, wie man so eine innere und äußere Erneuerung in der Breite in ein Unternehmen oder Team bekommt. Das allerdings kann man nicht delegieren oder anschaffen, sondern diese Haltung, also so eine neue Führungs- und Arbeitskultur funktioniert nur, wenn sie auf Freiwilligkeit basiert. Diejenigen, die darauf Lust haben, die kann man stark machen. Dabei geht es weniger um Konzepte und Lösungen von Beratern, vielmehr muss man den Menschen die Möglichkeit geben, an sich selbst zu arbeiten und sie zu animieren eine Verantwortung zu übernehmen und zwar, weil sie das selbst wollen. Diese Mitarbeiter könnten dann sogar Kulturbotschafter im Unternehmen werden. Und dafür müssten Führungskräfte den Rahmen schaffen. Natürlich kann man sich dazu auch noch überlegen, ob und welche Technologien man dazu nutzt, wie z.B. dass man das gewonnene Wissen zur Verfügung hält.
Was bedeutet es für Führungskräfte, Mitarbeiter, Unternehmen?
Dr. Oliver Haas: Stellen Sie sich einmal vor, jeder MitarbeiterIn würde sich folgende Fragen stellen (und vielleicht tun sie es ja auch?): „Was hält denn eigentlich eine Organisation zusammen?“ oder „Was ist es denn, was mich in dieser Firma hält? Ist es das Gehalt?“.
Da wird wohl die häufigste Antwort sein: Nein, denn ein Gehalt bekommt man woanders auch. Wenn es nicht das Gehalt ist, kann man sich fragen: „Ist es denn die Tätigkeit, ist es mein Traumjob?“. Aber auch da ist es ja so, dass es immer andere Unternehmen gibt, bei denen man eine ähnliche Tätigkeit ausüben kann. Die weitere Frage kann sein: „Sind es denn die Beziehungen?“. Aber auch gute Beziehungen findet man in einer anderen Firma.

In einer immer schneller werden Arbeitswelt schleudert es jeden schnell heraus, oder es wird einem vor lauter Schnell übel. Und da braucht man einen Halt. Und dieser Halt ist der Sinn und eine Kultur des Miteinanders. Diese ist übrigens nicht als „Wir haben uns alle lieb“- Kultur gedacht, sondern ein Sinn ist reiner, menschlicher Treibstoff. Keine klebrigen Beziehungen, in denen keine Leistung mehr verlangt wird, sondern lebendige Beziehungen, in denen man sich auch in den Hintern tritt. Und das von Mensch zu Mensch.
Vielen Dank Herr Haas!
Ich hoffe, wir konnten Sie mit diesem Interview ein wenig inspirieren, über neue Formen der Führung nachzudenken. Viel Freude bei dem Umsetzungen.
Ihre Susanne Nadler